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FC Bayern: Kritik? Dann soll Trainer Nagelsmann lieber gar nichts sagen


Kritik am Bayern-Trainer
Dann soll Nagelsmann lieber gar nichts sagen

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 06.05.2022Lesedauer: 6 Min.
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Bayern-Trainer Julian Nagelsmann musste sich zuletzt mehrfach für Äußerungen entschuldigen.Vergrößern des Bildes
Bayern-Trainer Julian Nagelsmann musste sich zuletzt mehrfach für Äußerungen entschuldigen. (Quelle: MIS/imago-images-bilder)

Während Eintracht Frankfurt aus dem Jubeln nicht mehr herauskommt, ist die Stimmung in Leipzig und München schlechter. Dabei machten die Trainer in Sachen Kommunikation ein paar Fehler.

Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat erst kürzlich wieder betont, warum die Verhältnisse an der Spitze der Bundesliga aus seiner Sicht so klar sind: "Der Abstand im Gehaltsvolumen zwischen dem Tabellenersten Bayern und dem Zweiten Dortmund beträgt mittlerweile wahrscheinlich mehr als 150 Millionen Euro. […] Es gibt eine glasklare Korrelation zwischen finanziellem Aufwand und sportlichem Erfolg."

Die Aussage mag über einen längeren Zeitraum zutreffend sein. In dieser Saison ist sie es an diversen Stellen allerdings mal wieder nicht.

Ähnlich groß wie der Abstand zwischen Bayern und Dortmund ist wohl auch der zwischen Dortmund und Frankfurt, dem Tabellenelften der Bundesliga.

Und der hat gerade das Finale der Europa League erreicht. Des Wettbewerbs also, aus dem der BVB frühzeitig und blamabel ausgeschieden ist. Und in dem auch RB Leipzig nun im Halbfinale an den Glasgow Rangers scheiterte.

Wie nehme ich als Verein diesen Wettbewerb an und wie transportiere ich das dann in Richtung der Spieler, der Fans und der Stadt?

Das ist die Frage, deren Beantwortung ganz offensichtlich noch viel wichtiger ist als das Gehaltsvolumen. Und das haben in den vergangenen 25 Jahren sehr viele Bundesligisten nicht verstanden oder umgesetzt bekommen. Auch die finanzkräftigeren, zu denen Dortmund hier zweifellos gehört.

Der TV-Sender RTL hat das erkannt und ist am Donnerstagabend nicht nach Gehaltsvolumen gegangen. RTL hat sich entschieden, das Frankfurter Spiel gegen West Ham United (1:0) im Free-TV zu zeigen und das von RB Leipzig bei den Rangers (1:3) bei RTL plus zu verstecken. Das war die richtige Entscheidung.

Die Eintracht-Fans haben für spektakuläre Bilder gesorgt und der Verein hat die Ehre des deutschen Fußballs in diesem Wettbewerb gerettet. Frankfurt lebt seine Tradition und die Europa League. Wir können stolz auf diese Mannschaft sein.

Auf der anderen Seite RB Leipzig und die ernüchternde Erkenntnis: Dieser Verein gibt einfach nicht mehr her, was die Begeisterung von Fans und Stadt angeht. Das Aus im Halbfinale ist kein Erfolg. Und: Nachdem RB das Stadion schon im Hinspiel nicht voll bekommen hat, waren auch in Glasgow nur 1.000 Anhänger dabei, obwohl 2.200 Tickets zur Verfügung standen. Und sogar ein Fanmarsch musste abgesagt werden, weil dafür zu wenig Leute da waren.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Da sehe ich lieber Vereine wie Frankfurt oder den 1. FC Köln im Europacup. Die reisen mit Tausenden Fans an, sorgen für eine unglaubliche Euphorie und machen so Werbung für den deutschen Fußball. Zumal die Leistung der RB-Spieler auch überschaubar war.

Natürlich hat Vorstandschef Oliver Mintzlaff immer wieder bekräftigt, dass RB Leipzig ein junger Verein ist.

Das interessiert mich allerdings als Fußballfan überhaupt nicht und das will auch sonst niemand hören. Wollen sie denn noch 20 Jahre lernen, bis sie mal etwas gewinnen?

Trainer Domenico Tedesco sagte vor dem Spiel, dass es immer noch "eine super, super Saison" wäre, selbst wenn RB "jetzt jedes Spiel verlieren würde." Das war ganz offensichtlich nicht nur die falsche Ansprache. Das war auch inhaltlich nicht zutreffend.

Tatsächlich entscheidet sich erst in den nächsten zwei Wochen, ob es wirklich eine erfolgreiche Saison für RB wird. Verliert Leipzig tatsächlich jedes Spiel, verpasst der Klub nach dem Titel in der Europa League auch den im DFB-Pokalfinale – und dazu noch die Qualifikation für die Champions League. Dann war es ganz sicher keine erfolgreiche Saison.

Intern haben sie auch einen anderen Anspruch, davon bin ich überzeugt, aber den müssen sie eben auch nach außen transportieren, wenn sie ernst genommen werden und eine Euphorie entfachen wollen. Leipzig muss dieses Jahr endlich den Pokal gewinnen. Ganz einfach.

Die Kommunikation von Tedesco war also mindestens unglücklich – damit steht er allerdings nicht allein da.

Auch Bayern-Trainer Julian Nagelsmann hat zuletzt mehrfach danebengelegen.

Für seinen Satz "Wir sind nicht bei der Freiwilligen Feuerwehr Südgiesing, sondern beim FC Bayern München", musste er sich bei der Feuerwehr entschuldigen. Für seine Kritik an der Entscheidung des SC Freiburg, gegen die Spielwertung des 1:4 gegen Bayern aufgrund eines Wechselfehlers Einspruch einzulegen, musste er seinen Trainerkollegen Christian Streich um Vergebung bitten.

Und auch die Aussage "Es gibt schon Ansätze zur Veränderung, aber die verrate ich nicht" nach dem 1:3 in Mainz war nicht clever. Die sorgt natürlich dafür, dass dann wild spekuliert wird.

Dann soll Nagelsmann doch lieber gar nichts sagen. Und sich künftig auf das Sportliche konzentrieren.

Noch im November wurde er gefeiert, weil er sich eloquent zu Themen geäußert hatte, die eigentlich eher in der Verantwortung von Vorstandschef Oliver Kahn gelegen hätten. Ich habe schon damals gesagt: "Wartet mal ab mit euren Lobeshymnen."

Zuletzt kritisierte Nagelsmann auch die Ibiza-Reise seiner Spieler im Anschluss an die Pleite in Mainz, die in dieser Woche für Aufregung gesorgt hat.

Womöglich zu Recht.

Das Thema Ibiza ist nämlich noch nicht abgehakt. Ich persönlich gehe davon aus, dass Bayern am Wochenende gegen den VfB Stuttgart gewinnt und die Vorwürfe abräumt, man würde sich nach der Meisterschaft hängen lassen und den Wettbewerb verzerren. Ich muss aber auch sagen: Gewinnt Bayern nicht, fällt dem Verein und insbesondere Nagelsmann diese Ibiza-Reise auf die Füße. Er hat sie zumindest nicht verboten – vielleicht hätte er das tun sollen.

Zumal diese Reise wirklich nullkommanull Sinn ergibt. Die Spieler sind doch ohnehin in zwei Wochen im Urlaub.

Selbst wenn es eine Teambuilding-Maßnahme war, wie sie Sportvorstand Hassan Salihamidzic nannte, darf die Sinnhaftigkeit zu diesem Zeitpunkt stark bezweifelt werden. Im Pokal und in der Champions League ist Bayern raus, in der Bundesliga vorzeitig Meister – und in der kommenden Saison sieht die Mannschaft anders aus. Wozu braucht es da eine Teambuilding-Maßnahme, bei der dann auch noch diverse Spieler fehlen?

Ich bin gespannt, welche Spieler in der kommenden Saison noch dabei sind. Es ist vollkommen richtig, dass sowohl Bayern als auch Dortmund an ihren Trainern festhalten und sich vielmehr den Kader ganz genau anschauen beziehungsweise verändern. Du kannst nicht jede Saison den Trainer wechseln, sondern musst die Schwachstellen im Kader erkennen und ausbügeln.

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Borussia Dortmund arbeitet beispielsweise sehr gut daran. Die Verpflichtungen von Niklas Süle und Nico Schlotterbeck für die Innenverteidigung ergeben Sinn, das Interesse an Außenverteidiger Ramy Bensebaini von Borussia Mönchengladbach ebenfalls. Die geplante Verpflichtung von Karim Adeyemi würde helfen.

Und wenn der Abgang von Erling Haaland feststeht, sollte sich der BVB um den früheren Frankfurter Luka Jovic bemühen, der bei Real Madrid weiterhin keine Rolle spielt. Der würde zu 100 Prozent passen.

Wer oft vergessen wird, wenn es um Dortmund geht, ist der bis 2023 an Frankfurt ausgeliehene Ansgar Knauff. Der hat gerade international eine überragende Saison gespielt und ein Riesenpotenzial. Wenn der nicht in Kürze für die Nationalmannschaft nominiert wird, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Zumal er ein Mann für die rechte Seite ist, wo es durchaus immer mal Probleme gab.

Schon für die kommende Saison würde ich bei Dortmund dafür plädieren, etwas an der Hierarchie zu ändern.

Ich habe schon mal vorgeschlagen, Mittelfeldspieler Jude Bellingham zum Kapitän zu machen – und möchte das hiermit trotz seiner erst 19 Jahre bekräftigen. Er spielt eine zentrale Rolle, ist selten verletzt, arbeitet Fußball – und der Verein könnte ihn mit einer solchen Entscheidung weiter an sich binden. Wird Bellingham Kapitän, überlegt er sich sicher doppelt, ob er in ein, zwei Jahren wirklich den Verein verlassen möchte.

Was bedeutet das nun für die Jagd auf Bayern und die Hoffnung auf einen spannenden Meisterkampf?

Vor zwei Wochen habe ich noch geschrieben: "Leipzig kann in der kommenden Saison im Rennen um die Deutsche Meisterschaft der lang ersehnte Konkurrent für Bayern werden."

Die 14 Tage seitdem haben diese Hoffnung etwas geschmälert. Das Europa-League-Aus, die Kommunikation der Verantwortlichen, die Niederlagen in der Bundesliga zuletzt – und auch die Diskussion um die Zukunft von Topspieler Christopher Nkunku. Klubboss Mintzlaff hatte einen Wechsel Nkunkus ausgeschlossen, nun sind unter der Woche doch wieder Berichte über einen angeblichen Wechselwunsch des Angreifers aufgetaucht.

Um Bayern-Jäger zu werden, muss Leipzig seine Mannschaft zusammenhalten. Und zwar so, dass die Topspieler nicht gezwungen werden zu bleiben. Sie müssen wirklich Lust haben, die Bayern-Jagd mit RB aufzunehmen.

Leipzig schwächelt also, Dortmund rüstet auf – und ich bin weiterhin optimistisch, dass wir nach 10 Jahren endlich mal wieder einen spannenden Meisterkampf erleben.

Womöglich hängt das letztlich sogar an einer einzigen Personalie: Robert Lewandowski.

Ist er bereit, seinen Vertrag bis 2023 bei Bayern zu erfüllen und sich auf die kommende Saison einzulassen – oder will er unbedingt im Sommer gehen?

Wenn Lewandowski geht, ist der Titelkampf offen wie nie.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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